„Ich glaube, man kann sogar die CDU verändern“

Kreis Kleve (27.06.2015). Am 13. September werden die Kreis Klever Bürger über den Posten des Landrats entscheiden. Vier Kandidaten stehen zur Wahl. Amtsinhaber Wolfgang Spreen (CDU) wirft seinen Hut ein weiteres Mal in den Ring, die SPD schickt Jürgen Franken ins Rennen und die FDP Dietmar Gorißen. Alle drei sind politisch seit vielen Jahren im fest Nordkreis verwurzelt. Bei Kandidat Nummer vier sieht das anders aus. Dr. Ludwig Ramacher bewirbt sich für die Grünen um den Chefsessel im Kreishaus. Er ist im Norden des Kreises Kleve ein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Im Gespräch mit Kurier-Redakteur Michael Terhoeven erklärt Ramacher, warum er die richtige Wahl für den Job als Landrat ist, mit welchen Themen er sich von seinen Mitbewerbern absetzen möchte und warum er als Grüner im Vorstand einer Europäische Vereinigung für die Verbrennung und Behandlung von Sonderabfällen, kurz EURITS, vertreten ist.

Herr Ramacher, Sie sind für viele unserer Leser der große Unbekannte im Landrats-Wahlkampf, dabei sind Sie alles andere als ein politischer Neuling…

Dr. Ludwig Ramacher: Politisch aktiv war ich bereits zu Zeiten der Friedensbewegung Ende der 70er Jahre. 1980 bin ich dann den Grünen beigetreten und für die Partei 1994 erstmals in den Wachtendonker Rat gewählt worden. Zwei Jahre später habe ich den Fraktionsvorsitz übernommen. Nach über zwei Jahrzehnten Ratsarbeit kenne mich in der kommunalen Politik aus, weiß um die Sorgen und Nöte der Städte und Gemeinden und kenne deren Erwartungen und Hoffnungen auch gegenüber dem Kreis, die sich leider viel zu selten erfüllen.

Wachtendonk ist nun aber denkbar weit weg von Goch, Kleve oder Emmerich. Hier kennt Sie so gut wie keiner. Wie wollen Sie es schaffen, dass Ihr politisches Wirken in die Köpfe aller potentiellen Wähler des Kreises gelangen und diese von ihren Ideen überzeugen?  

Ramacher: Das ist natürlich schwierig, doch geht es Jürgen Franken und Dietmar Gorißen im Süden kaum anders. Und selbst Wolfgang Spreen ist in seinen Jahren als Landrat eher selten im Südkreis in Erscheinung getreten. Mein bzw. unser Vorteil ist, dass wir über die sozialen Netzwerke sehr gut vernetzt sind. Das hilft uns sehr, mit vergleichsweise geringem Aufwand viele auch und vor allem junge Menschen zu erreichen. Wir werden jetzt damit beginnen, unseren Wahlkampf zu intensivieren – auch auf der Straße. Leider kann ich selbst vermutlich nicht alle Kommunen besuchen. Dazu fehlt mir aufgrund meiner Arbeit einfach die Zeit.

Das müssen Sie erklären.  

Ramacher: Ich bin bei Remondis, also in der Entsorgungswirtschaft, tätig und kümmere mich in dem Unternehmen um den internationalen Vertrieb. Meine Aufgabe besteht darin, Abfälle aus Ländern wie Italien, Spanien, Portugal oder Malta für unsere Müllverbrennungsanlagen zu besorgen. Entsprechend viel bin ich unterwegs und kann mich auch nicht für mehrere Wochen aus dem Betrieb herausziehen. Ich vertraue im Wahlkampf aber auf meine Parteifreunde. Ein gutes Team, das mich gut vertreten wird.

Sie sind außerdem im Vorstand der Europäische Vereinigung für die Verbrennung und Behandlung von Sonderabfällen tätig. Wie passt das mit Grüner Ideologie zusammen?  

Ramacher: Besser als man denkt. Bei EURITS geht es schlichtweg darum, unsere begrenzten Ressourcen besser zu nutzen bzw. einzusparen. Bei diesen Prozessen ist es wichtig, dass grüne Argumente nicht vergessen werden. Wenn dem aber so sein sollte, stehe ich parat und kann dann auch sehr hartnäckig sein. Das gilt auch, falls Gesetze und Gesetgebungsverfahren zur Diskussion stehen. Sind sie schlecht für die Umwelt, dann muss das auch gesagt werden.

Die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie gehört zu Ihren Schwerpunktthemen. Die Auseinandersetzung um den geplanten Bau von Windkrafträdern im Reichswald könnte in diesem Punkt zu einem Paradebeispiel werden?  

Ramacher: Das ist es bereits. Eine Diskussion, die aus meiner Sicht eigentlich grundsätzlich auf Kreisebene geführt werden sollte, da die Kommunen in solchen Fällen gelegentlich egoistisch denken. Fakt ist allerdings, dass wir an einer Fortsetzung der Energiewende nicht vorbeikommen. In diesem Zusammenhang muss sich jeder bewusst sein, dass Energieerzeugung ohne Eingriffe in die Natur einfach nicht möglich ist. Selbst Solar- oder eben Windkraftanlagen beanspruchen Platz und Ressourcen, um errichtet und unterhalten zu werden. Da gilt es stets von neuem abzuwägen, was gut und sinnvoll ist. Das kann im Fall der Fälle auch die Platzierung von Windrädern in einem Wald sein. Windkraftgegner möchte ich gerne mal an die Hand nehmen und sie in ein Abbaugebiet für Braunkohle mitnehmen. Wenn sie erleben was da passiert, sehen sie den Bau von Windrädern bestimmt mit ganz anderen Augen.

Wofür wollen Sie sich als Landrat noch einsetzen?  

Ramacher: Ich möchte für mehr Generationengerechtigkeit sorgen. In 20 Jahren wird die Bevölkerung im Kreis durchschnittlich sieben Jahre älter sein. Darauf sind wir hier aber nicht vorbereitet. Der öffentliche Personennahverkehr ist heute schon eine Katastrophe, es fehlt an Pflegekräften, die Wohnsituation lässt zu wünschen übrig, die Nahversorgung in den Orten wird immer schlechter. Dem gilt es entgegenzuwirken. Auch in Sachen Bildung liegt, vor allem was Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge betrifft, jede Menge Potential brach. Das sind zum Teil hochgebildete und hochmotivierte Menschen, die durchs Rost fallen. Natürlich handelt es sich hierbei um ein bundes- bzw. landespolitisches Thema, doch kann man darauf warten, dass sich etwas bewegt oder mit Nachdruck darauf hinarbeiten. Ich bin da für Letzteres. Und dann wäre da noch die Landwirtschaft. In diesem Sektor wurde bisher fast ausschließlich Symbolpolitik betrieben. Der Kreis hat beispielsweise noch nicht einmal die Möglichkeit der Kontrolle des Düngverhaltens. Das geht so nicht. Nicht dass man mich falsch versteht: Wir brauchen die Landwirtschaft, sie ist ein wichtiger Wirtschaftfaktor, doch muss sie zukunftsorientiert arbeiten und nicht allein auf Masse produzieren. Das gilt es zu kommunizieren und auch zu koordinieren,

Wie lautet Ihr Ziel für den 13. September?  

Ramacher: Ich trete an, um die Wahl zu gewinnen. Das wird nicht im ersten Wahlgang möglich sein, dazu ist die CDU einfach zu stark im Kreis, aber vielleicht im zweiten. Es ist einfach an der Zeit, verkrustete Strukturen in der Kreisverwaltung aufzubrechen. Das wird nicht einfach, doch ist Geduld eine Tugend, die ich in meiner politischen Arbeit gelernt habe. Weiterhin bestehen bleibt natürlich die schwarz-gelbe Mehrheit im Kreistag. Ich denke jedoch, dass man mit Offenheit, frischen Ideen und Beharrlichkeit sogar die CDU verändern kann.

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