Haushaltsrede (2012) für das Haushaltsjahr 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist schon ein besonderes Jahr, an dem wir zum zweiten Mal einen Haushalt beschließen. Knapp 9 Monate nach Verabschiedung des Haushaltes für 2012 im März dieses Jahres verabschieden wir heute den nächsten Haushalt für 2013. Gleichzeitig sehen wir einem nächsten vermeintlich „freiwilligen“ Sparkonzept entgegen. Dabei müssen wir in 2013 auch von erheblich verminderten Schlüsselzuweisungen ausgehen. Frühestens für das GFG 2014 sind Veränderungen zu erwarten. Details dazu haben Bürgermeister und Kämmerer in ihren Reden erläutert. Wir teilen die Auffassung, dass man sich kaum auf um 85 % verminderte Schlüsselzuweisungen vorbereiten kann und diese verkraftbar gestalten kann. Der Rheurdter Haushalt wird nachhaltig getroffen. Dabei gibt es gute Gründe, warum die Landesregierung die Schlüsselzuweisungen verändert hat. In der BRD gilt:

Städte und Gemeinden sind strukturell unterfinanziert. Allerdings unterscheidet sich die finanzielle Situation von Ort zu Ort dramatisch. Während bundesweit ein Großteil der Kommunen ausgeglichene Haushalte ausweist, entkommen insbesondere Großstädte auch in konjunkturellen Aufschwüngen der Verschuldungsspirale nicht. So werden auch im Jahr 2012, ähnlich wie in den Jahren 2006 bis 2008, die kommunalen Gesamteinnahmen über den Ausgaben liegen und gleichzeitig die kommunale Verschuldung erkennbar ansteigen. Gerade in Zeiten steigender Steuereinnahmen ist ein solches Ergebnis nicht allein mit einem Verweis auf die Einnahmesituation erklärbar. Die Steuereinnahmen der Kommunen gehen zu 80% auf die Gewerbe- und Einkommensteuer zurück. Die Einnahmesituation vor Ort ist somit essenziell von der Wirtschaftsstruktur und von der durchschnittlichen Einkommenshöhe der EinwohnerInnen abhängig.

Die Belastung der Sozialausgaben erreicht lt. Deutschem Städtetag in diesem Jahr wohl die Grenze von 45 Milliarden Euro. Ein Jahrzehnt zuvor waren es noch 26 Mrd. Euro. Das Verhältnis von Investitionen zu Sozialausgaben hat sich seit knapp 40 Jahren auf den Kopf gestellt. Der Anteil der Investitionen an den Gesamtaufgaben hat sich um zwei Drittel verringert, der Anteil der sozialen Leistungen hingegen verfünffacht. So ist der Investitionsanteil nur noch halb so groß wie der Anteil der sozialen Kosten. Momentan steigende Steuereinnahmen entlasten die Kommunen. Für eine Überwindung der strukturellen Finanzprobleme und der steigenden Ungleichgewichte zwischen den Kommunen reichen sie keinesfalls aus. Zentral für die Entwicklung der finanziellen Lage in den Kommunen ist die Überwindung der strukturellen Unterfinanzierung und eine Entlastungen bei den sozialen Kosten… Angesichts der dramatischen Steigerung der sozialen Kosten besteht dringender Handlungsbedarf. Das ist Bundesaufgabe.

Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung ist nur für knapp 10% der Gesamt­aufwendungen der kommunalen Sozialausgaben verantwortlich. Ab 2014 übernimmt der Bund die Aufwendungen für die Grundsicherung im Alter, die bisher den Kommu­nen aufgebürdet waren. Dies führt zu Entlastungen in einer Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro. Allein die Ausgabensteigerungen bei den sozialen Kosten in den letzten beiden Jahren von im Schnitt 3,5% verdeutlichen, wie schnell weitere Kostensteigerungen diese Entlastung auffressen werden. Deshalb sind Bund und Länder weiter gefordert. Gerade die Großstädte werden der strukturellen Ausgabenverschiebung speziell des letzten Jahrzehnts nicht Herr.

Diese Situation hat die Landesregierung veranlasst, insbesondere die unter drückenden Sozialkosten ächzenden Großstädte zu entlasten. Die NRW-Kommunen erhalten im Jahr 2013 rund 8,7 Milliarden Euro Zuweisungen vom Land. Der Betrag steigt gegenüber 2012 um rund 235 Millionen Euro (2,8 Prozent). Wir sind als kleine Kommune, deren Bürgerschaft wesentliche Nutznießerin der Investitionsbereitschaft in Bildung und Kultur der umliegenden großen Städte ist, zur Solidarität aufgefordert. Wir zahlen auf diese Weise unseren Beitrag für den Bestand von weiterführenden Schulen, Büchereien, Theatern und vieles weitere mehr, das wir als Bürgerschaft der umliegenden Gemeinden mit nutzen. So bitter die Sache aus Rheurdter Sicht ist, so notwendig ist sie. Wir sind Teil des Speckgürtels des Ruhrgebietes – die Rheurdter Einwohner verfügen über gute bis sehr gute Einkommen. Wir werden die verminderten Schlüsselzuweisungen verkraften müssen. Unsere schwierigen Bedingungen sind im Vergleich also immer noch gute Bedingungen. Mit den nun zugewiesenen Mitteln muss Rheurdt seine kommunalen Aufgaben meistern.

Die Schule im Dorf: Hier ist Politik gefragt!

Nicht Teil des Haushaltsplanes ist die – wie der Bürgermeister auf Nachfragen erläuterte – „angesparte“ Summe der Schulbaupauschale. Diese nicht unerhebliche Summe von 200.000 Euro jährlich steht im Schattenhaushalt der Gemeinde zur Verfügung, um daraus nötige Investitionen zu tätigen. 800.000 Euro sind verplanbar, um die Grundschule baulich zukunftsfest zu gestalten. Inklusion steht neben zukünftig kleineren Schülerzahlen im Pflichtenheft der Gemeinde. Wir konnten übrigens der Presse kürzlich entnehmen, dass der Kreis Wesel erheblich weiter in der Umsetzung von Inklusion ist. Bemerkenswert finde ich, dass das offenbar bei gleichen gesetzlichen Vorgaben gelingt. Sie haben sich als CDU-Mehrheit im Kreis Kleve zur Verhaltensstarre entschieden und glauben, das Abwarten die richtige Strategie zur Lösung der Zukunftsaufgaben ist. Sie warten auf weitere Ausgestaltung und Vorgaben durch das Land und verweisen darauf, dass ohne dieses alles irgendwie risikobehaftet ist. Dieses Beispiel im Kreis Wesel beweist, dass für engagierte Menschen die eigene „Gestaltungsbereitschaft“ auch bei schwierigen Themen durchaus vernünftige Lösungen bietet.

Bereits 2010 haben wir (auch in Haushaltsberatungen) das Thema „Inklusion“ eingefordert.  Gediehen sind die Überlegungen in dieser Hinsicht indes nicht. Vielmehr wird dieses Thema in der aktuellen Diskussion um Grundschule weitgehend ausgeklammert. Gute Gründe, die den Erhalt der kleinen Dependance Schaephuysen stärken könnten, wollen Sie vermutlich nicht stützen. Wir alle wissen, dass nicht jedes behinderte Kind körperbehindert ist und deshalb zwingend kostspielige Umbauten verursachen würden. Einen erhöhten Förderbedarf haben sie indes, was sich bei der Berechnung von Klassenstärken günstig auswirken kann. Die konkrete Umsetzung ist leicht im Kreis Wesel nachzuvollziehen. Insgesamt verwundert uns sehr, dass die Diskussion um die Entwicklung der Grundschule im Gemeinderat weniger vom Gedanken getragen wird: „Was ist für die Grundschule nötig, um zukunftsfest gute Grundschule zu sein“. Gutachter Rösener resümiert: „Letztlich geht es in Rheurdt um die Abwägung der Vorteile zweier kleiner, aber wohnungsnah erreichbarer Grundschulen mit den Vorteilen einer stabil zweizügigen Grundschule.“

Damit hat er treffend das Wesentliche beschrieben Seine Beurteilung, hier pädagogi­schen Argumenten das größere Gewicht beizumessen teilen wir nicht! Wir sind der Auffassung, dass pädagogische Gründe nur ein Teil der Gesamtbetrachtung sind. Ebenso gewichtig sind

       ein Kollegium, das eine kollegiale und freundliche Schulatmosphäre gestaltet

       die Vorbereitung der Schule auf Inklusion

       Kosten, die durch bauliche Veränderungen entstehen werden und

       die Bedeutung der Grundschule in der dörflichen Entwicklung und Sozialgemeinschaft von Schaephuysen und Rheurdt.

Die Kosten gilt es seriös zu ermitteln und bei einer Gesamtbetrachtung alle relevanten Argumente abzuwägen.

Es gilt eine politische Entscheidung zum Wohl aller Bürger in Rheurdt zu treffen. Kostenargumente dürfen hier nicht das einzige Entscheidungskriterium sein.

Gut investiertes Geld für’s Ehrenamt – „Die Mühen haben sich gelohnt“

Die Entwicklung rund um das Hallenbad nimmt nach allen Verlautbarungen der bürgerschaftlichen Akteure des Vereins „Schwimmfreunde Rheurdt“ eine tolle Entwicklung und wird mit überregionalen Preisen bedacht. Wir haben den Eindruck:

Hier sind rührige engagierte Menschen beispielhaft am Werk und erhalten trotz hohen Kostendrucks das Schwimmbad. Darüber freuen wir uns sehr.

Entwicklung für das ganze Dorf

Weniger erfreulich gestaltet sich in unseren Augen das Thema „Dorfentwicklung“. Nur für den Ortsteil Rheurdt und ohne Berücksichtigung von Schaephuysen soll herausgefunden werden, was der Bürgerschaft in Sachen Dorfentwicklungsplanung am Herzen liegt. So weit so gut –  es ist ja die Bürgerschaft gefragt!???

Wir sind sehr skeptisch über den Verlauf, den die ganze Sache nimmt. Einmal abgesehen von der hinreichend begründeten anderen Auffassung die wir Grünen zur „Weichen-stellenden“ Auftragsvergabe an den Architekten haben, meinen wir: Methodische Fehler liegen zugrunde und  fehlende Zielausrichtung des Gemeinderates zu einem Dorfentwicklungskonzept führt dazu, dass schlussendlich wenig belastbare Ergebnisse erzielt werden. Im Sinne des Wirtschaftsförderungsthemas „Stärkung des Wir-Gefühls“ das Ganze lediglich umzuetikettieren in „Dorfentwicklung“ reicht nicht aus. Wir fragen uns, ob das hinterliegende  alleinige Ziel lautet, einen neuen „Dorfkern Rheurdt“ zu entwickeln, bei dem die jetzige Nutzung des Schulgebäudes stört? Arbeiten sie unabhängig von der Akzeptanz der Bürgerschaft ihren Bau-Entwicklungsplan ab? Dies mag den Bauträgern dienen, wegen hastiger Beratungsverfahren ist aber keineswegs sichergestellt, dass wichtige Zukunftsaufgaben auch umgesetzt werden. Ob das Ganze nun  auch hinsichtlich legitimer Anliegen beispielsweise der Schaephuysener Bürgerschaft Akzeptanz finden kann, scheint der schwierige Teil Ihrer Abwägungen zu werden.

Der gewählte Weg ist falsch. Ein Dorfentwicklungsplan muss die gleichberechtigten und gut begründeten legitimen Interessen beider Ortsteile berücksichtigen, darf Prioritäten setzen, muss aber auch Unverzichtbares identifizieren. Das ist in diesem Verfahren überhaupt nicht gegeben.

Ich wiederhole in dieser Rede nicht unsere Auffassung

– zur knappsten aller möglichen Informationen über Maßnahmen des Haushaltsplanes

  und

– zur Notwendigkeit einer Investition in Bildung und Jugendarbeit.

Dies ist nachlesbar und unverändert gültig wie in den vergangenen Jahren.

Im Übrigen gilt für uns in diesem Jahr: Wo nichts mehr zu gestalten bleibt, werden die gesetzlichen Pflichtaufgaben erfüllt. Wir sind zuversichtlich, dass der verbleibende Spielraum der Verwaltung die Arbeit ermöglicht. Natürlich sind wir gespannt, was an neuen Einsparvorschlägen zum nächsten geplanten freiwilligen Haushaltskonzept vorgelegt werden wird. Wir werden dem Haushalt zustimmen.

 

Wir danken dem neuen Kämmerer, Herrn Schüren, für Beratungen in angenehmer Atmosphäre.

Wir bedanken uns auch bei der Verwaltung und bei dem Bürgermeister für die geleistete Arbeit und die Zusammenarbeit und wünschen Ihnen und ihren Familien Gesundheit und fried­liche Weihnachtstage.

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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